„Charakterköpfe“ – zu den neuen Arbeiten von Herbert Schager
Seine Auseinandersetzung mit den künstlerischen Möglichkeiten des Computers startete Herbert Schager gleich zu Beginn jener Zeit, als dieser Apparat erstmals in das Bewußtsein einer breiteren Öffentlichkeit vorgedrungen war. Der gestalterische Umgang des Künstlers mit dem Computer, der seither den absoluten Schwerpunkt seiner künstlerischen Arbeit einnimmt, ist vor allem von Vielseitigkeit geprägt; filmische Animationen entstehen hier ebenso wie Computergrafiken oder Internetprojekte.
Für die Ausstellung in der Galerie im Stifterhaus hat sich Herbert Schager ganz auf ein Thema konzentriert, das ihn ebenfalls bereits seit langer Zeit beschäftigt und schon eine Fülle von Material entstehen ließ. Die nunmehr gleichsam „ausgearbeitete“ Bildreihe von Kopfdarstellungen, die vom Künstler als Portraits betitelt werden, vermitteln zunächst eine absolute Vielfalt der gestalterischen Möglichkeiten. Das durchgehende inhaltliche Thema der menschlichen Kopfdarstellung ist niemals repetitiv bearbeitet, sondern jede einzelne Darstellung wird zu einer singulären „Charakterstudie“ – einer ganz spezifischen Betrachtungssituation. Schagers Köpfe sind immer festgehalten in einer Transparenzbewegung zwischen innen und außen; sie fixieren einen Moment im Sinne eines offenen filmischen Erlebens. Die Möglichkeiten des freien Gestaltungsflusses am Computer werden zu malerischen Momentaufnahmen konzentriert, zugleich das fotografische Moment des Augenblicks erweitert zu einer längerfristigen Typologisierung. Künstlerische Traditionen einer gestischen, auf den momentanen Ausdruck hin ausgerichteten Malerei und Graphik bzw. von Übermalungen werden zwar aufgegriffen, nicht jedoch einfach in eine technisch geprägte Gestaltungsform übersetzt – vielmehr suchen die Computergrafiken von Herbert Schager ihre völlig eigenständige Bildpoesie. Die künstlerische Arbeit am Computer simuliert hier nicht andere Bilderfahrungen, sondern verbindet eigene Gestaltungsmöglichkeiten zu einer neuen Bilderfahrung, die vor allem durch einen verschleifenden Schichtenaufbau verschiedenster Farbebenen gekennzeichnet ist. Schagers Umgang mit diesen computertypisch Schichtungsebenen beschränkt sich allerdings nicht auf Oberflächenphänomene, sondern bemüht sich sehr dezidiert um malerische Tiefenräume sowie darum, energetische Ballungen als räumliche Bilderfahrungen entstehen lassen.
Die fotografische Darstellung eines menschlichen Kopfes wird solchermaßen zur Annäherung an die Erfahrung eines „Charakterkopfes“, also einer komplex übergeordneten Zuordnungsbestimmung, geführt. Nicht das individuelle Porträt ist das künstlerische Ziel, sondern die Gestaltung einer Bildsituatiuon, die auch den Betrachter mit seinem eigenen „Kopf“ in die Darstellung mit eindringen läßt.
Peter Assmann