Wolf Ruprecht hat uns heute in seiner AutorInnengalerie zusammengerufen, damit wir uns gemeinsam mit sechs künstlerischen Positionen zum Thema „Helden“ auseinandersetzen.
Astrid Esslinger, Veronika Merl, Elfriede Ruprecht-Porod, Wolf Ruprecht, Helga Schager und Herbert Schager legen recht heterogene und vielschichtige Positionen zu dem Thema vor.
– Dies kommt nicht von ungefähr. Unsere durchrationalisierte, entsolidarisierte und zweckrational entzauberte Welt lässt uns vom Anderen träumen; von einer Gemeinschaft, in der wir Handlungsmächtigkeit erlangen können. Wenn sich unsere Träume vom kollektiven Ringen um eine bessere Welt nicht realisieren, dann wird man doch noch wenigstens vom einsamen Kampf gegen den Drachen phantasieren können.
Der mythische Heros ist mächtig. Aber was bedeutet es für ihn mächtig zu sein?
Heroische Macht ist nicht gleichzusetzen mit der Frage: Wer köpft wen – oder wer wird die Prinzessin heiraten?
Sie heisst vor allen anderen Dingen, den Tod nicht zu fürchten, nicht davor zurückzuschrecken das zu tun, was getan werden muss, sich keiner gegen sie gerichteten Feindseligkeit zu unterwerfen; sie heisst mit Freude auf die Siegesbeute zu verzichten.
Elfriede Ruprecht-Porod stellt die Kontextabhängigkeit des Heroischen ins Zentrum ihrer Arbeit. Wie sie, schenkt auch die griechische Mythologie dem Verhältnis von Mutter und Held besondere Beachtung. Denn der Heros, als Sohn der Göttin war in grauer Vorzeit eins mit der Natur. Im zyklischen Rhythmus erfüllt er seine Aufgabe sich fürs Ganze zu opfern, um im nächsten Jahr von neuem zu erstrahlen.
Wir begegnen den Prototypen dieser Lichtgestalt in der Antike, dem frühem Mittelalter und im Wilden Westen, denn das ureigene Aktionsfeld des Helden wächst auf gesetzesfreiem Boden. Hier agiert er als „interesselose“ Instanz, die nur einem „reinen, abstrakten“ menschlichen Ethos verpflichtet ist.
– Doch diese vermittelnde, unparteiliche Instanz stellt heute der Staat dar; – zumindest wird uns dies eifrig in der Schule vermittelt, drum müssen wir unsere Demokratie ja schliesslich auch in Afghanistan und Bagdad zum Wohl der ganzen Menschheit verteidigen.
Wo jedoch die herrschenden Verhältnisse all zu offensichtlich menschlichen Bedürfnissen und Regeln entgegenstehen, ist der Nährboden für Helden bereitet. Dies gilt heute gleichermassen für Sub-Komandate Marcos wie Osama Bin Laden.
Das der Nazistaat dieser „gedachten interesselosen menschliche Ethik“ diametral gegenüber stand, verlangte somit nach „HeldInnen“, die der Barbarei entgegentraten, ohne Rücksicht auf ihre persönlichen Bedürfnisse. Helga Schager widmet diesen ihre Arbeit.
Herbert Schager hinterfragt die Rolle des Einzelnen in der Masse. Er untersucht Bilder von Aufmärschen am Heldenplatz und konterkariert sie mit kommerziellen Spielfiguren von Helden. Denn seit Marx ist deutlich, dass der Staat seine „neutrale Rolle“ auch in unseren Zeiten nicht zu erfüllen vermag. Vielmehr ist er ein Getriebener von herrschenden Interessen. Seine Transformation ist nötig: erst die politische Emanzipation der Menschen von den Menschen ermöglicht die wirkliche Befreiung. Doch die Ethik kann und darf nicht auf solch ferne Tage verschoben werden.
Die industrialisierte Organisation der Freizeit in unserer Konsumgesellschaft und die damit einhergehende Entfremdung von ihr, verstärkt die Abhängigkeit vom käuflichen „Geliebtwerden“. Passivität ruft gesteigerte Sucht nach Liebeszufuhr von aussen hervor und verhindert eigenes Aktivwerden. Einzig die zeitgeistig trivialisierten Helden sind in der Lage den Schein von Freiheit zu symbolisieren und so den Stau narzistischer Gefühle abzuführen, an denen unsere Gesellschaft krankt.
Wolf Ruprecht thematisiert in seinen Bildern solche Symbole zweifelhaften Heldentums. Auf Rohkarton gemalt, entspricht das Material dem trivialen Charakter der Heldendarstellungen unserer Zeit.
Die Sehnsucht nach Held-Sein verlagert sich zunehmend ins Feld des Medialen; die letzten gelebten Abenteuer werden neidisch via Fernsehn konsumiert. Analog zu Roman- und Filmhelden sind Astrid Esslingers Heldinnen Trägerinnen der Bildgeschichte. Ausgestattet mit Attributen der Mediengesellschaft wie Kamera oder Mikrofon lassen sie sich jedoch nicht vorführen, sondern gestalten initiativ ihr Leben.
Die heutige Alltags-HeldInnen zeichnen sich weniger dadurch aus, dass sie genau wissen was sie wollen, sondern vielmehr wollen sie, was sie wissen. Sie unterwerfen sich nicht den Normen der Tugend, denn diese kann nicht unabhängig von der Praxis definiert werden. Ethik taugt nicht für die Bewertung des oder der Anderen. Das bürokratische Bewusstsein will jedoch um jeden Preis die Verantwortlichkeiten festlegen, um Belohnung und Strafe auszuteilen. Veronika Merls Zeichnungen ironisieren daher, diese Konventionen und Tabus.
Unsere Gesellschaft hat aus der Auseinandersetzung mit Krieg und Faschismus gelernt, dass wir Helden gegenüber misstrauisch sein müssen. Doch die Ausstellung zeigt uns, dass es sich lohnt, die Charaktereigenschaften und Typologien der Heroen auf ihre Tragfähigkeit in unserer Zeit zu diskutieren, denn deutlich ist, das die Rechte mit flachgestrickten Abzugbildern von Helden operiert, die gerade den wesentlichen Merkmalen der mythologischen Heroen entgegenstehen: der Fundierung in sich selbst, und dem Gegensatz zum kanonisierten, gesellschaftlichen Kodex.
Leider braucht es noch viele kleine HeldInnen, um eine Gesellschaft zu erreichen, die endlich locker auf Heldenhaftes verzichten kann.
univ.doz.rainer zendron
vizerektor, kunstuni linz