HERBERT SCHAGER: WELCOME TO LIFE!
im KUNSTVEREIN PARADIGMA
Donnerstag, 4. Juli 2024, 19 Uhr
Zur Ausstellung spricht: RAINER ZENDRON
Dauer: 5. Juli – 1. August 2024
Fotos: Birgit Standl, Matthias Aigner, Franz Mach, Helga Schager
ERÖFFNUNGSREDE: RAINER ZENDRON
Eigentlich mag ich Vernissagen-Reden nicht. Als Zuhörer langweilt mich diese Konvention fast immer, da es meine Gespräche mit FreundInnen unterbricht. Als Redner scheue ich sie, weil sie mich den BesucherInnen alleingelassen, aussetzt. Darum habe ich sie, seit meinem Ruhestand fast ganz vermieden … Andererseits ist mir als Besucher – das Fehlen dieses Rituals unangenehm, weil ich mir dann nicht sicher bin, ob ich mir bereits ein Bier nehmen darf …
Früher wurden Ausstellungen mit Freunden fertiggestellt, indem Firnis gemeinsam auf die präsentierten Bilder aufgetragen wurde. Doch die Werke werden – auf vertrackte Weise auch heute noch – erst mit der Vernissage fertiggestellt, – zumindest, wenn man wie ich meint, dass sich ein Artefakt erst in der Interaktion – im Blick der RezipientInnen auf dieses – als Kunstwerk realisiert. So schaffen wir alle – jetzt im Zuge dieser Vernissage – jenen entscheidenden, finalen Akt, welchen Herbert Schager in langer Arbeit mit großer Sorgfalt vorbereitet hat.
Als ich vor etwa 45 Jahren in der Stadtwerkstatt meine ersten Berührungen mit Gegenwartskunst versuchte, wurde mir bereits von meinen KollegInnen implizit kommuniziert, dass Herbert einer der ganz Wichtigen der Linzer Kunstszene sei; – nicht zuletzt dadurch, dass es äußerst erstrebenswert war, ihn fürs Entwerfen und Verfertigen der Siebdruckplakate für unsere Veranstaltungen zu gewinnen; – Seine Druckgrafiken seien die Besten! – egal ob vielschichtig-verspielt oder brachial, mit seinen frühen, expressiven Portraits.
Während ich den Computer hauptsächlich wegen seiner Rechtschreibkorrektur-Funktion schätze, war Herbert einer der Ersten unserer Szeneblase, der ihn als Werkzeug für seine Kunst integrierte. Anfangs destillierte er seine Sujets aus mannigfaltigen, computergenerierten Überlagerungen und überarbeitete und konturierte diesen detailreichen Grund anschießend mit ausdrucksstarken Farbstrichen. In anderen Werkphasen gewannen seine Bilder ihre bestechende Kraft aus großflächigen, monochromen Abdeckungen, aus denen seine – oft vom alltäglichem Mühsal geprägten Figuren – quasi, wie ein verbliebener Rest eines größeren Bildes, hervorlugten.
Er experimentiert schon sein ganzes Künstlerleben lang, fast täglich stundenlang mit Computern, deren Funktionen sich jedoch kontinuierlich erweitern, – und er bemüht sich da mithalten zu können.
In letzter Zeit versucht er vorgefertigte Selfie-Filter und Künstliche Intelligenz Applikationen für seine Portraits nutzbar zu machen. (Reflexhaft erscheint mir das ziemlich doof). Die Programme werden ja eigentlich deshalb erfolgreich an Jugendliche verkauft, damit diese – ohne eigenen Gestaltungsaufwand – ihre Selfies mit einem pseudo-künstlerischen Kick versehen zu können. – Doch andererseits sind Computerprogramme auch einfach zeitgenössische Werkzeuge. Und solche wurden schon immer von der Kunst genutzt oder kreativ missbraucht.
Natürlich gibt Herbert sich nicht damit zufrieden, das erstbeste Ergebnis für seine Bilder zu nutzen, sondern er quält sich und seine KI-Software stundenlang mit Befehlen, bis der Computer schließlich eine Variante ausspuckt, welche ihm spannend für eine Weiterverarbeitung erscheint. Diese Zwischenergebnisse werden anschließend mit traditionellen grafischen und malerischen Methoden finalisiert.
Heute zeigt Herbert Schager Ausschnitte aus drei aktuellen Werkblöcken, (sowie einige, künstlerische Abschweifungen ins Private).
Als False Friends bezeichnet man Wörter, die im Englischen (fast) genauso klingen und geschrieben werden wie im Deutschen, – allerdings (in der jeweils anderen Sprache) auf völlig Differentes verweisen. Die Bilder assemblieren, collagieren und verquirlen die abweichenden Bedeutungen. Für jeden einzelnen – dieser Kohorte seiner Falschen Freunde, – diente ihm als Ausgangsbild – ein persönliches selfie.
Fotos seines Gesichts sind auch für die Serie Portrait of a Woman meist der Ausgangspunkt der Arbeit. Ob dieses Spiel mit Geschlechteridentitäten vornehmlich auf zeitgenössische, gesellschaftliche Debatten, durch Selbstreflektion angeknackste Maskulinität, einem sich verändernden Hormonhaushalt in unserem, reifen Alter oder doch eher auf Herberts´ Elternstolz auf seine Tochter Oona verweisen mag, (deren Gesicht unverkennbar den Ausgangspunkt des mittleren Werks bildet), kann im Anschluss in kleineren Kreis diskutiert werden.
Wirklich überrascht haben mich seine Landschaftsdarstellungen, die zwar produktionstechnisch vergleichbar gefertigt sind, doch seine Arbeit um völlig neue Motive erweitert. In seinen Linzblicken zeigt er uns – ihm liebgewonnene Stadtnaturzonen. Sie können vielleicht als Schritt zu einem Übergang von seiner bisherigen, konsequenten Fokussierung auf reflexive Selbstbeobachtung – hin zu einer Weltbetrachtung – verstanden werden.
Ähnlich könnte man auch seine am Rande der Ausstellung gezeigten Arbeiten begreifen, die – nicht nur räumlichen – Abstand zu seinem vergangenen Kunstschaffen andeuten, sondern gleichzeitig einen Blick in sein gelebtes Leben gewähren: Bilder, die in Kooperation mit seinen Enkeln entstanden sind, oder das berührende Video von letzten Atemzügen seines Vaters – im ehemaligen Durchgang zum stillgelegten Galerieraum.